Ende 2018 unternahmen Mitglieder, Ehrenamtliche und Mitarbeiter*innen des HVD Berlin-Brandenburg eine Bildungsreise nach Nepal. Die Wahl war auf das kleine, an den Südhängen des Himalayas gelegene Land gefallen, weil sich der Verband bereits seit längerem für ein soziales Projekt in Nepal engagiert.
Ein fremdes Land zu bereisen – das kann aufregend, intensiv und unvergesslich sein. So zog auch Nepal mit seinen faszinierenden Kontrasten die Reisegruppe schnell in seinen Bann. Mit einer Fläche von 147.000 km² ist Nepal ungefähr so groß wie Bayern und Österreich zusammen. Acht der zehn höchsten Berge der Welt stehen in Nepal, darunter der Everest mit 8.850 Metern.
Die Reise führte von der Hauptstadt Kathmandu mit ihren hinduistischen Totenverbrennungsstätten, ihrem mittelalterlichen Gassengewirr, chaotischem Straßenverkehr und starker Luftverschmutzung zum Chitwan-Nationalpark und weiter nach Lumbini, dem Geburtsort Buddhas, eine Pilgerstätte von Weltrang. Pokhara, am schillernden Phewa-See gelegen, erkundete man per Boot und genoss die Aussicht auf die weißen Gipfel des Annapurna. Über Gorkha mit seiner eindrucksvollen Festung ging es weiter ins zentrale Bergland nach Nagarkot und Dhulikhel mit seiner interessanten Fauna und Flora. Ein Highlight war das Städtchen Bhaktapur, das mit rosaroten Ziegelbauten, kunstvollen Holzschnitzereien und großartigen Steinskulpturen verzauberte. Zurück in Kathmandu mit seinen tausend Gesichtern, besichtigte man Paläste, Tempel und Schreine. Viele architektonische Schätze der Stadt hat zwar das verheerende Erdbeben von 2015 getroffen, aber bedeutsame Bauten werden (auch mit Hilfe deutscher Stiftungen) möglichst originalgetreu wiederhergestellt.
Kultur und Religion: Viele Feste und Rituale, keine Kirche
Mindestens ebenso vielfältig wie die Landschaft ist die Kultur. Auffällig ist der große Reichtum an Volksgruppen mit über 50 Sprachen, von denen jede ihre eigene Kultur und Tradition pflegt. Dass diese Vielfalt erhalten geblieben ist, verdankt Nepal auch der Tatsache, dass es nie kolonialisiert wurde. Es ist ein Land mit tiefem Nationalstolz und ethnischem Selbstbewusstsein. Die Freundlichkeit der Menschen ist tief verwurzelt, und die Reisegruppe lernte schnell, die Hände zum Namaste-Gruß zusammenzulegen.
Der größte Bevölkerungsanteil Nepals gehört dem Hinduismus an (80 Prozent), rund 15 Prozent der 30,5 Millionen Einwohner bekennen sich zum Buddhismus. Beide Religionen kennen keine Kirche; der Hinduismus besteht aus vielen Sekten und Kulten. Nach buddhistischem und hinduistischem Glauben wird das Leben der Menschen durch ihr Karma bestimmt, die Kraft, die durch positive und negative Handlungen entsteht und die für die spätere Wiedergeburt entscheidend ist. Für die Gläubigen sind unterschiedliche Gebete und Rituale wichtig. Religiöses Ziel jedes Hindus ist es, sich aus dem Kreislauf der Wiedergeburt zu befreien, die Erlösung zu erlangen und ins ewige Leben im Nirvana – dem Paradies – zu gelangen.
Altenhilfe als Generationenaufgabe
Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt; die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als zwei Euro pro Tag. Laut dem Human-Development-Index der UN für 2017 steht Nepal auf Platz 144 von 188 Ländern. Auch das Gesundheitssystem des Landes ist völlig unzureichend; Kranken- und Pflegeversicherung existieren nicht. So übernimmt oftmals der örtliche Schamane die medizinische Versorgung. Die Verlierer des Gesundheitssystems sind vor allem alte Menschen. Diese stellen eine der am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppen in Nepal dar; ihr Anteil wird sich laut Prognosen bis 2050 mehr als verdoppeln. Diese demografische Entwicklung lässt große Probleme für die Versorgung und Pflege der älteren Generation erwarten.
Traditionell haben die Nepalesen zahlreiche Nachkommen, damit Kinder und Alte im Familienverbund geschützt und mitversorgt werden können. Wir erfuhren, dass in der Regel einer der Söhne die Pflege der Eltern übernimmt. Seit einigen Jahren zeichnet sich allerdings ein deutlicher Wandel in diesem Rollenverhalten ab. Viele Kinder entscheiden sich gegen die Pflege der Eltern, nehmen Arbeit im Ausland auf – derzeit arbeiten rund zwei Millionen Nepalesen in den Golfstaaten oder wandern nach Südost- und Ostasien aus – oder überleben ihre Eltern nicht. Isoliert und verarmt bleiben die Alten zurück. Besonders betroffen sind alleinstehende und verwitwete Frauen, wenn sie beispielsweise beim Tod ihres Mannes ihren Besitz verlieren und mittellos zurückbleiben.
Einen bleibenden Eindruck von dieser Situation vermittelte der Besuch eines Altenheims in dem Örtchen Devghat, das von den Einwohnern gemeinsam mit der Kommune unterhalten wird. Es ist eine der wenigen Alteneinrichtungen in Nepal überhaupt. Seniorinnen und Senioren werden hier nur aufgenommen, wenn nachgewiesen ist, dass keine Angehörigen vorhanden sind oder sie von der Familie verstoßen wurden und vor allem in finanzieller Not sind.
Vor Ort kam die Reisegruppe bald ins Gespräch mit den alten Menschen. Viele waren traurig und fühlten sich einsam wegen der Entfernung zu ihrem ursprünglichen Zuhause. Schnell wurde sichtbar, dass es an medizinischen Hilfsmitteln und geschultem Personal fehlte, ganz zu schweigen von einer professionellen Altenpflege.
Mission: Entwicklungszusammenarbeit
Deutschland gehört neben Japan und Großbritannien zu den wichtigsten bilateralen Geberländern Nepals. Deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Nepal konzentriert sich auf die Bereiche kommunale Selbstverwaltung, Familienplanung und Gesundheitsversorgung. Nach dem bewegenden Besuch in Devghat befürwortete die Reisegruppe die bestehende Initiative eines sozialen Projektes zur Entwicklungszusammenarbeit zu forcieren.
Damit dieses wichtige Vorhaben nachhaltig entwickelt werden kann, sind Spenden notwendig. Jeder Euro trägt dazu bei, dieses modellhafte Altenzentrum in Nepal entstehen zu lassen.
Manfred Isemeyer